Tag der Lehre 2022
Am 23. November 2022 fand erneut der Tag der Lehre mit anschließender Verleihung des Athene-Preises für gute Lehre statt. In diesem Jahr konnte Svenja Kernig den Studierenden in ihrer Rede eine Stimme verleihen.
Liebes Publikum,
vielen Dank für die Einführung. Mein Name ist Svenja Kernig und ich habe das Vergnügen als studentische Vertreterin des SL zu Ihnen zu sprechen – wenn auch leider anders als das normal der Fall ist. Die studentischen Reden sind schon immer ein wichtiger Teil des Tages der Lehre gewesen. Ich bin froh, dass es auch dieses Jahr eine solche Rede gibt, wenn auch erst auf Bitten der studentischen SL-Mitglieder.
Der 24 Februar 2022 stellt einen Einschnitt für uns in Europa dar. Der russische Angriff auf die Ukraine hat für uns alle viel geändert. Wir spüren die Auswirkungen jeden Tag. Seit über 270 Tagen herrscht Krieg in Europa.
Auch auf die Studierenden wirkt sich das aus. Neben der immer noch wütenden Corona-Pandemie sehen wir uns nun auch der Belastung durch den Krieg ausgesetzt. Nicht nur durch täglichen, erschreckenden Meldungen und Bilder, auch wirtschaftlich spüren wir den Krieg jeden Tag. Vor kurzem veröffentlichte das statistische Bundesamt, dass über 40% der Studierenden akut armutsgefährdet sind. Und im Sommer zeigte eine Auswertung des Paritätischen, dass ein Drittel der Studierenden unter der Armutsgrenze lebt. Mit der steigenden Inflation werden es täglich mehr. Zwar hat die Bundesregierung eine einmalige Unterstützung für die Studierenden angekündigt, doch 200€ werden leider nicht reichen. Alleine die Erhöhung der Heiz- und Stromkosten wird diese einmalige Unterstützung komplett auffressen. Die Studierenden brauchen mehr als einmalig 200€, um ihr Studium finanzieren zu können!
Neben der Frage der Finanzierung des Studiums, stellt sich auch die Frage nach dem Lernort. An anderen Hochschulen, wie zum Beispiel der Hochschule Koblenz, ist die Rückkehr zur digitalen Lehre bereits angekündigt. Obwohl das während der Zeiten sehr hoher Infektionszahlen absolut angestrebt war, ist jetzt eine Rückkehr zu einer reinen Onlinelehre nicht sinnig. Morgen, am Donnerstag, 24.11., um 12 Uhr werden wir Studierende protestieren – für eine bessere Finanzierung der Uni, bessere Bezahlung aller Angestellten, höhere Sofortzahlungen an die Studierenden und eine Uni als offener Lernort. Ich fordere Sie alle auf, sich uns anzuschließen. Gemeinsam können wir unseren Forderungen eine laute Stimme geben.
Doch auch andere Krisen bereiten uns Studierenden große Sorgen. Aktuelle Daten aus dem Bereich der Klimaforschung zeigen, dass wir sehenden Auges in eine Katastrophe steuern. Wenn wir weiter leben und handeln wie bisher, können wir das 1,5 Grad Ziel nicht mehr erreichen. Alles das stellt uns Studierende, aber auch die Uni vor eine Herausforderung. Wir können davor zurückschrecken und weitermachen wie bisher – oder wir werden aktiv.
Die TU Darmstadt hat den Anspruch für die Zukunft zu forschen, zu lehren und auszubilden. Diesem Anspruch muss sie dringend gerecht werden. Ob die Politik- oder Materialwissenschaften, Chemie oder Pädagogik, Architektur oder auch das Lehramt – in allen Studiengängen sollte es Inhalte zum Thema Nachhaltigkeit und Klimaschutz geben. Es darf sich niemand dahinter verstecken, dass dies doch Querschnittsthemen seien. Diese Inhalte müssen explizit sein.
Als Universität ist die TU Darmstadt ein Ort des Fortschrittes. Sie muss sich für ihre Studierenden zu einem Lernort der Zukunft machen. Und das heißt, dass wir die Inhalte der Zukunft lehren müssen. Und Klimaschutz ist eben ein essentieller Teil dieser Zukunft. Denn wir haben leider keinen Planeten B!
Der Lernort der Zukunft ist aber auch ein digitaler. In der Gegenwart jedoch müssen wir leider sehen, dass das Angebot immer weiter zurück geht. Gerade Aufzeichnungen von Veranstaltungen, ob nun Vorlesungen oder Übungen, sind für viele Studierende enorm wichtig.
Doch wir hören immer mehr von den Studierenden, dass diese Angebote weniger werden. Sie werden auf alte Aufzeichnungen verwiesen, die zum Teil nur noch kaum mit der aktuellen Vorlesung zu tun haben. Wie sollen die Studierenden angemessen lernen und Kompetenzen erwerben, wenn sie sich auf veraltete Aufzeichnungen verlassen müssen? Denn es gibt viele Gründe und Motivation, warum aktuelle Veranstaltungsaufzeichnungen vorhanden sein müssen – für die Nachbereitung von Veranstaltungen zum Beispiel, für Studierende mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen, zur Vorbereitung auf Prüfungen oder für Studierende, die Care-Arbeit leisten. Die Uni muss hier endlich ihrer Verantwortung nachkommen und ein gutes Studium für alle Studierenden ermöglichen!
Denn der Push-Back gegen die Digitalisierung, die die Pandemie ein wenig nach vorne gebracht hat, ist da. Doch die Uni kann ihn noch aufhalten. Gemeinsam können wir sogar noch weitergehen. Der Einsatz digitaler Tools sollte im Studium der Standard sein. Es ist bereits sehr viel da, auch mit einem didaktischen Anspruch – Code-Visualisierungstools, interaktive Präsentationssoftware, kollaborative digitale Whiteboards und das sind nur einige wenige Beispiele für derartige Werkzeuge. Auch digitale Lern- und Begegnungsorte wurden über die Pandemie entwickelt. Sie müssen nur eingesetzt werden und das in der gesamten Breite.
Lernorte müssen für uns Studierende so vieles sein: zugänglich, benutzbar, zukunftsfähig, finanzierbar und finanziert, nachhaltig, digital und in Präsenz. Es ist die Aufgabe der gesamten Hochschule – Präsidium, Professor*innen, wissenschaftlich und nicht-wissenschaftliche Mitarbeitende und Studierende – dies zu ermöglichen und umzusetzen. Nur zusammen können wir dieses Ziel erreichen.
Gemeinsam geben wir auch morgen, um 12Uhr auf der Demo vor der Mensa, unseren Forderungen eine laute Stimme. Ich fordere Sie alle auf, sich uns anzuschließen!
Und damit danke ich Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.