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Tag der Lehre 2023

Tag der Lehre 2023

Am 22.11. fand der diesjährige Tag der Lehre statt. In diesem Jahr durfte unsere studentische Senatorin Katrin Katzenmeier den Studiendekan:innen und interessierten Menschen die Probleme der Studierenden näher bringen. Sie sprach dabei vor allem über die enorme Belastung der Studierenden und wie die Digitaliserung der Lehre dabei Abhilfe schaffen könnte.
Anschließend konnten noch Fragen des Publikums geklärt werden. Dabei stach vor allem die Frage „Wie sollte ein gesundes Studium aussehen?“ hervor. Auch die Forderung von einzelnen Lehrenden nach funktionierendem und einfachem Streaming Equipment in allen Hörsälen fand großen Anklang.

Die Rede könnt ihr im folgenden nachlesen:

Liebes Publikum,

ich freue mich hier als studentische Senatorin und als Referentin des AStAs alle Studierenden vertreten zu dürfen.

Ich spreche nämlich nicht nur für die Studierenden meines Fachbereichs, wenn ich sage: Ich bin überlastet.

Wie so viele Studierende heutzutage. Die Gründe dafür sind recht leicht zusammengefasst: Mit 40 Stunden die Woche, die wir in einem Vollzeit-Studium aufbringen, fängts schon an. Nebenbei müssen viele von uns arbeiten gehen. Um es in Zahlen auszudrücken: 63%, wie das DSW ermittelt hat. Für ehrenamtliches Engagement in Vereinen, sozialen Einrichtungen oder hier an der Uni bleibt da schon keine Zeit mehr. Sport, Kunst, Kultur. Alles was eine Persönlichkeitsentwicklung eben so ausmacht, fällt hinten runter. Das ist nicht nur eine körperliche, sondern auch eine psychische Belastung, die von vielen Nicht-Studierenden unterschätzt, ja sogar klein geredet wird.

Allzu häufig bekommen wir zu hören: „Ihr sollt studieren und nicht arbeiten!“

Das… sehen wir auch so. Aber wir hätten halt auch gerne ein Dach über dem Kopf und die Miete finanziert sich nicht von selbst. Kühlschränke können heutzutage zwar automatisch den Einkauf erledigen, den aber leider nicht bezahlen.
Nicht alle Studierenden haben das Glück, von ihren Eltern finanziert zu werden. Im Gegenteil: Drei viertel der Studierenden, die nicht mehr bei ihren Eltern wohnen, waren im letzten Jahr armutsgefährdet. So heißt es in einer Erhebung des statistischen Bundesamtes. Und die Situation hat sich seit dem nicht gebessert. Zu immer noch angespannten Energiepreisen kommen die steigende Inflation und drohende Kürzungen im BAföG. Es bleibt nichts anderes übrig, als neben unserem Studium noch arbeiten zu gehen.
Also gehen viele den offensichtlichen Weg, werden Studentische Hilfskraft. Dann kann man während dem Arbeiten schließlich noch was für das eigene Studium lernen.

Aber schauen wir uns doch mal die Zahlen an: Hier an der Uni bekommen wir als SHK 12,48 € die Stunde – und das auch erst seit kurzem. Dazu wissen wir im nächsten Semester nicht, ob wir wieder eine Stelle bspw. in der Übungsbetreuung bekommen, da wir uns von einem befristeten Vertrag zum nächsten hangeln und darauf angewiesen sind, dass der Fachbereich genug Geld hat, studentische Hilfskräfte zu finanzieren.

Im Aldi dagegen bekomme ich als eine einfache Aushilfe 14 € die Stunde, Weihnachts- und Urlaubsgeld und einen unbefristeten Vertrag. Vom Mitarbeitendenrabatt profitiere ich sogar direkt beim Einkauf.
Und da wundern sich die Fachbereiche noch, dass sie keine Übungsleitungen mehr finden? Wenn ihr einziges Argument der Profit für das eigene Studium ist? Studentisch Beschäftigte sind ein essentieller Bestandteil guter Lehre. Ohne Übungsleitungen enden wir alle in Hörsaalübungen, die auch nur nochmal die Vorlesung in verständlich wiedergeben. Unser Studienerfolg hängt zu einem großen Teil von engagierten Tutor:innen ab, die bereit sind, Überstunden zu machen, wenn sie versuchen, uns ein Thema zu erklären, bei dem der oder die Professor:in in der Vorlesung kläglich gescheitert ist.

Aber nicht nur in Übungen arbeiten Studierende für die Universität. Wer sitzt in der ULB am Servicedesk? Studierende. Wer hilft den IT Abteilungen aller Arbeitsgruppen? Studierende. Wer sorgt dafür, dass die Materialprüfungsanstalt oder der Linearbeschleuniger auch Nachts noch laufen? Richtig! Studierende.

Solange an der Universität die Studentisch Beschäftigten nicht für den essentiellen Beitrag zu Forschung  und Lehre ernstgenommen werden, den sie leisten, sondern als Sachmittel gesehen werden, als billige Arbeitskraft um Probleme zu erschlagen, solange wird sich an der Knappheit nichts ändern. Und an unserer Belastung auch nicht!

Wussten Sie eigentlich, dass man nicht in der Vorlesung sitzen kann, wenn man gleichzeitig arbeiten muss? Zumindest nicht, solange wir hier nicht intensiver am Klonen forschen.
Dabei wäre die Lösung doch so einfach: Digitalisierung.
Es entbehrt sich nicht einer gewissen Ironie, dass wir uns heute über Künstliche Intelligenz und ihr Potential für die Lehre unterhalten wollen, wenn einige Dozierende es nicht mal schaffen, Lernmaterialien auf Moodle hochzuladen. Corona hat gezeigt, welche Vorteile das E-Learning mit sich bringt. Corona hat auch gezeigt, dass Digitalisierung mehr ist, als nur PowerPointFolien online zur Verfügung zu stellen. Wir waren zwei Jahre lang dazu in der Lage, Vorlesungen zu streamen und Aufzeichnungen online zu stellen. Doch kaum zurück in Präsenz, hört man wieder das Geschrei nach Overheadprojektoren.

Wir haben während Corona gezwungenermaßen bzw. Gott sei dank Barrieren abgebaut. Nur um jetzt wieder Rückschritte zu machen? Bitte sagen Sie mir, wie Studierende ohne online verfügbares Lernmaterial ihr Studium erfolgreich abschließen sollen, wenn sie nebenbei arbeiten müssen? Wenn sie zuhause ihre kranken Eltern pflegen oder auf ihr Kind aufpassen müssen? Wenn Depressionen es ihnen nicht erlauben, volle Hörsäle zu betreten oder gar das Haus zu verlassen?

Wenn Studierende von Digitalisierung reden, wünschen sie sich wenigstens ausreichend Lernmaterialien – online zur Verfügung gestellt – um ihr Studium zu bestreiten. Videos, Skripte, weiterführendes Übungsmaterial. Keine überladenen PowerPointFolien, die erst Tage nach der Vorlesung zur Verfügung gestellt werden und dann nicht mehr nachvollziehbar sind.

Aber wagen wir es doch mal, noch etwas weiter zu träumen, was mit Digitalisierung noch alles möglich wäre… Interaktive Vorlesungen, die durch digitale Tools interessanter gemacht werden, statt eine dozierende Person, die im wahrsten Sinne des Wortes das Lehrbuch vorliest. Simulationen, die Studierenden zuhause ein Problemfeld veranschaulichen, statt trockene Kampfrechnungen, die nie wieder benötigt werden. Online Quizze, kurze Lernvideos, interaktive Apps zum Selbststudium. Die Palette ist unendlich und trotzdem sitzen wir in trockenen Tafelvorlesungen des letzten Jahrhunderts. Wir brauchen uns nicht über die Vorteile von KI für die Lehre zu unterhalten, wenn wir immer noch gezwungen werden, Übungen handschriftlich auf Papier abzugeben.

Aber wenn wir Kritik an der Art der Vorlesung äußern, wird sofort mit der sogenannten Freiheit der Lehre um sich geworfen, die Grundgesetzlich geschützt sein soll. Fakt ist jedoch, dass dienstliche oder organisatorische Vorgaben gemacht werden können, um die Ausbildungsziele sicherzustellen. Daraus folgt nicht nur die Möglichkeit, sondern die Pflicht, Maßnahmen zu ergreifen, die auch Studierenden, die nicht in Präsenz anwesend sein können, die Teilnahme an der Lehre zu ermöglichen. Sei es weil sie berufstätig sind, weil sie sich um Familienangehörige kümmern, oder weil sie Ehrenamtlich eingebunden sind. Weil es einen unzumutbaren zeitlichen Mehraufwand darstellt, oder weil sie das Studium schon so weit kaputt gemacht hat, dass sie es psychisch nicht mehr schaffen, das Haus oder gar das Bett zu verlassen. All diese fallen durch die „Freiheit der Lehre“ hinten runter!

Aber wird sich jemals etwas daran ändern?

Mit Gewissheit kann man das nicht sagen. Mit Gewissheit kann man aber sagen, dass es garantiert kein Gremium, keine Kommission und kein unverbindliches Empfehlungspapier sein wird, das großflächig die Lehre an der TU Darmstadt revolutionieren wird. Stellenweise werden einige WiMis eine Nachtschicht schieben, die sie natürlich nicht vergütet bekommen werden, damit sie hier und da ein paar Lehrveranstaltungen, für die sie gradestehen müssen, auf das Niveau des 21. Jahrhunderts heben können. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass das nicht einmal den oder die nächste Prof’in überdauert, der oder die alles sowieso ganz anders machen möchte, ist hoch. Denn Professor:innen wissen ja, was gute Lehre ist.

Erst, wenn Profesor:innen mit gutem Beispiel voran gehen und aktiv von allen Lehrenden der TU Darmstadt erwarten, dieses neue Niveau an digitalen Technologien anzunehmen und zu übernehmen, erst dann werden wir wahrlich gute Lehre haben.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.