Die VG Wort will mehr Geld! Wir wollen freie Bildung!
Langsam wissen es wohl alle: Auf moodle und anderen Lernplattformen dürfen ab 1.1.2017 keine Texte oder Buchauszüge mehr hochgeladen werden.
Das ist tatsächlich sehr verkürzt. Lediglich die Texte und Bücher, deren Urheberrechte bereits jetzt von der VG Wort verwaltet werden oder einer anderen Gesellschaft, und daher unter §52a Abs. 4 fallen, können nicht mehr eigenständig vervielfältigt werden. Es dürfen weiterhin Texte und Buchauszüge auf moodle hochgeladen werden, jedoch ohne weiteren Aufwand nur solche, die mit einer freien Lizenz versehen sind. Deren Autor*in also das eigene Werk allen frei zur Verfügung stellt. Ebenso dürfen gemeinfreie¹ Texte, Bilder und Artikel verbreitet werden. Also solche Materialien deren Schutzfristen abgelaufen sind oder deren Inhalt für die Gesellschaft von wesentlicher Relevanz ist. Auch Skripte, Arbeitsblätter und analoge Texte sind hiervon alle ausgenommen. Gerade Skripte und Arbeitsblätter erstellen die lehrenden Personen selbstständig und können sie daher natürlich auch ohne Weiteres zur Verfügung stellen. Ebenfalls können auch große Teile von Werken oder Abbildungen zitiert werden. Dies wird durch §51 des Urheberrechts geregelt.
Weshalb dann der ganze Trubel?
Bis zum 1.1.2017 galt eine Pauschalvergütung aller urheberrechtlich geschützten Werke, die im wissenschaftlichen Bereich oder zu Ausbildungszwecken genutzt wurden. Das heißt die Länder habe eine feste Summe an die VG Wort gezahlt und diese hat die Einnahmen weiter verteilt. Jedoch hat der Bundesgerichtshof (BGH) bereits 2013 die Pauschalvergütung als unzulässig beschlossen. Daher haben die VG Wort mit den Ländern einen neuen Rahmenvertrag ausgearbeitet. Dieser sieht vor, dass einzeln erfasst werden muss, für wie viele Personen ein Text eines/*r bestimmten Autors/Autorin* verfügbar gemacht worden ist, und dann eine entsprechende Summe gezahlt wird.
Die Universität in Osnabrück erstellte in Absprache mit der VG Wort eine Machbarkeitsstudie, die aufdecken sollte, ob der Mehraufwand für die Unis und Lehrenden vertretbar ist. Es wurde festgestellt, dass der Aufwand zur Einzelerfassung unverhältnismäßig hoch ist. Unter anderem deshalb und da die letztendliche Vergütungshöhe sich noch nicht abschätzten lässt und von den Universitäten selbst getragen werden muss, sind sehr viele Universitäten dem Rahmenvertrag nicht beigetreten, auch die TU Darmstadt.
Was bedeutet das nun für die nähere Zukunft?
Wenn eure Vorlesung davon lebt, dass eure Professorin euch viel Texte und Buchauszüge zur Verfügung stellt, dann solltet ihr aktiv darum bitten, dass euch alle Texte noch im Jahr 2016 zur Verfügung gestellt werden, sodass ihr diese bei euch lokal speichern könnt. Das ist legal. Oftmals sind die benötigten Texte und Bücher auch in de ULB verfügbar oder können als Buch, analog oder elektronisch, angeschafft werden. Es kann dann von der lehrenden Person ein direkter Link gesetzt werden.
Hier soll noch einmal betont werden, dass die Änderung ausschließlich ganze Texte oder wesentliche Buchauszüge in digitaler Form betrifft. Vieles ändert sich nicht: Das Zitatrecht (§51) von Text und Bild, Kopien zum persönlichen Gebrauch (§53), Verwendung gemeinfreier¹ Texte, Bücher, Bilder, Presseartikel, open access Werke, sowie die Nutzung von einzeln veröffentlichen Abbildungen und Grafiken.
Ab 1.1.2017 werden dann über moodle keine betroffenen Materialien zur Verfügung stehen. Moodle-Kurse, die von den verantwortlichen Personen nicht auf betroffenes Material untersucht wurden, werden vorübergehen unsichtbar geschaltet. Wundert euch also nicht, wenn ihr in den ersten Januarwochen plötzlich moodle-Kurse nicht mehr findet. Davon werden vor allem die Kurse aus vergangenen Semestern betroffen sein.
Weiter Informationen dazu findet ihr auch unter e-learning.tu-darmstadt.de/52a
Langfristig ist das natürlich keine Lösung. Es liegt wohl in der Verantwortung aller mal ordentlich auf den Putz zu hauen. Der neue Rahmenvertrag ist nur ein Symptom eine viel tiefer liegenden Problems. An Universitäten, Hochschulen, Schulen, allen Bildungsstätten sollten Texte und Bücher zu Lehrzwecken frei und kostenlos verfügbar sein. Weder ist es zumutbar das Universitäten noch das Schüler*innen, Student*innen und Auszubildenden aus eigener Tasche für gut Bildung zahlen müssen. Dies fördert ein sowieso schon bestehendes zwei Klassensystem der Bildungseinrichtungen.
Es bedarf also einer Änderung des Gesetztes. §52a Abs.4, der die Vergütung vorsieht, muss gestrichen werden! Das heißt begehrt auf und demonstriert.
Aber es gibt auch noch andere Lösungen, schneller Lösungen. Vieles ist auch unter freien Lizenzen verfügbar und je mehr freie Lizenzen genutzt werden, desto wahrscheinlicher ist es wohl auch das Autor*innen ihre Werke frei lizenzieren. Gelesen werden wollen sicherlich die meisten.
Wie steht denn eigentlich das Präsidium der TU Darmstadt dazu?
Auch von Seiten des Präsidiums ist uns bekannt, dass dieses eine Änderung des Gesetzes befürworten würden. Zudem soll mit anderen Hochschulen ein neuer Vertrag mit der VG Wort ausgearbeitet und insgesamt sich stärker auf frei lizenzierte Materialien konzentriert werden.
¹ Das Urheberrecht von Texte und Bücher erlischt in der Regel 70 Jahre nach Tod der*/des Urhebers/*in (§64 UrhG), bei Lichtbildaufnahmen 50 Jahre nach Veröffentlichung oder Schaffung (§72 UrhG), bei Presseerzeugnissen 1 Jahr nach Veröffentlichung oder Schaffung (§87g UrhG), bei Sendungen 50 Jahre nach Ausstrahlung (§87 UrhG) und bei wissenschaftlichen Werkausgaben 25 Jahre nach Veröffentlichung oder Schaffung (§70 UrhG)